Hintergründe zum Ende der
Aero-Fahrzeugproduktion
Beitrag 1 von Herrn
Prof. J. Vorisek (1902-1980)
Vom Herrn Prof. Vorisek bekam die Redaktion des
Aerovkar ein äußerst interessantes Material aus seinem Archiv
- herzlichen Dank!
Rekapitulation der
Aktivitäten des Kollektivs des Konstruktionsbüros der
Automobilfabrik Aero und eine Hypothese, warum das Programm der
Erzeugung von Aero-Automobilen nach dem Krieg aufgehoben wurde.
Autor Ing. Josef Vorisek
(Red: Aero-IG: in den Dreißigerjahren besaß er den Titel
Architekt der Karosserien der Automobilfabrik AERO)
Im
Laufe von 16 Jahren der Existenz der Fabrik AERO stellte das
Kollektiv des Konstruktionsbüro einen hervorstehenden Teil der
Fabrik vor. Seine Erfolge bildeten einen Markstein in der
Geschichte der Fabrik, sowie auch in der tschechoslowakischen
Automobilwelt, und das in der Zeit, wo der Name AERO einen guten
Ruf auch im Ausland besaß.
Die
Arbeit des Kollektivs wurde im Ausland als gut gewertet, wogegen
in der Fabrik dies aus unbegreiflichen Gründen nur
ausnahmsweise vorkam. Auch mussten sich die Mitglieder des
Kollektivs im Laufe der ganzen Zeit mit einer Platzierung begnügen,
die nur mit Nachsicht als ungenügend bezeichnet werden konnte.
Auch die Arbeitsbeziehungen wurden durch Eingriff von einzelnen
Personen oder Gruppen außerhalb des Büros getrübt. Der
objektive Beobachter muss nach einem Zeitabstand zum Schluss
kommen, dass es sich meistens um Äußerungen von kleinlicher
Eitelkeit und Eifersucht handelte, die letzten Endes zu ökonomischen
Verlusten der Fabrik führten. In den ersten Zeiten der Fabrik
war es die Person des Fabrikinhabers (Red. Aero-IG: JUDr.
Vladimir Kabes), der endgültig entschied, und mit tiefer
Kenntnis der Leute und des Sachverhaltes den schlimmsten Folgen
der beschriebenen Situation vorbeugen konnte.
Während
der verhängnisvollen Kriegsjahre, die eine Krise der
Automobilerzeugung brachten (wegen der Herstellung der Flugzeuge für
Kriegszwecke), wurde die Leitung der Fabrik an den Sohn des
Fabrikanten (Alter 25 Jahre) (Red. Aero-IG: JUDr. Vladimir M.
Kabes) übertragen. Der war zwar imstande den Gang der
Fabrik einzuhalten, aber in der Konstruktionsabteilung wurde das
Programm aus Friedenszeiten, genehmigt von der deutschen
Leitung, aus tschechischer Seite durch individuelle Eingriffe
beeinträchtigt - desto mehr, da der neue Chef wenig
Entschlossenheit zeigt dagegen einzugreifen.
Nichtsdestoweniger wurden die Hindernisse mit dem Enthusiasmus
des Kollektivs überwunden und es wurden zwei neue Prototype von
Personenwagen (Red. Aero-IG: Pony und Rekord)
ausgearbeitet. Mit Unterstützung anderer Abteilungen der Fabrik
hatte man diese Prototype auch gebaut und - soweit es die Verhältnisse
erlaubten - erfolgreich getestet.
Der
Erfolg der Tests krönte die Arbeit des Büros und alle blickten
mit Zuversicht in die Zukunft, wo ihre Arbeit zum Entstehen der
nationalen Automobilproduktion des freien Staates beitragen
wird. Nach Kriegsende wurde die Fabrik wegen ihrer
beispielhaften Aktivität während der Okkupation zu den
perspektiven Unternehmen, mit denen man in Zukunft rechnet,
eingereiht.
Die
Begeisterung aus dieser Wertung kam aber kurz danach zunichte und zwar wegen dem Entschluss über das weitere Schicksal des
Konstruktionsbüros. Die betreffenden amtlichen Stellen der
Republik fassten den endgültigen Entschluss (siehe auch Karel
Jicinsky Automobile Aero in ihrer Zeit), dass sich das
perspektive Friedensprogramm der Fabrik Aero auf die Erzeugung
eines 1,5 Tonnen-Lastwagen beschränken wird, zu dem der Großteil der Mechanik von der Fabrik Praga geliefert wird, von
wo auch das Modell stammte.
Die
sechsjährige eifrige Arbeit des Kollektivs, der im Schatten der
Flugzeugabteilung (die Waffen für Okkupanten erzeugte), auch
materiell litt, kam so zunichte. Umsonst verhielt sich das
Konstruktionsbüro in der Zeit nach der Mai-Revolution
fünf lange Monate abwartend (d.h. bis September 1945) und war Zeuge des
chaotischen Zustandes in der Fabrik. Für die Konstrukteure war
es unglaublich, dass die Leitung der Fabrik, zusammen mit dem
Revolutionsausschuss der Gewerkschaft, nicht eine Revision des
Beschlusses durchsetzten, der die sechzehnjährige Arbeit der
Fabrik auch in schlechten Zeiten treuen Leute zunichte macht.
Heute steht das Kollektiv vor der unbegreiflichen Tatsache, dass
beide Teile der Leitung kalt und mit Desinteresse den Beschluss
der Regierung zugelassen haben, der offenbar mit Unkenntnis der Produktionsmöglichkeiten
der Fabrik getroffen wurde. Und das trotzdem
diese sogar von den Okkupanten respektiert wurden.
Diese
Tatsache wird von uns nach einem bestimmten Zeitabstand
vorgetragen, der uns ermöglichte, auf objektive Weise die
Ursachen zu verfolgen, welche die beschriebenen Folgen auslösten.
Das Plenum des Verwaltungsausschusses wurde mit Sicherheit von
den ,,Fliegern“ zusammengestellt, um die Zukunft der
Flugabteilung zu sichern. Außer des Inhabers der Fabrik sind
dort hervorragende Persönlichkeiten vertreten, die auch während
der Okkupation die Flugabteilung zu hervorragenden Leistungen
veranlassten. Auch vor der Okkupation stellten die „Flieger“
die Elite der Fabrik vor. Sie verdienten am meisten.
Es
ist unbestreitbar, dass die Automobilfabrik vom Anfang an eine
persönliche Angelegenheit des Fabrikinhabers war, selbstgenügsam
und mit kommerziellen Erfolgen funktionierte, aber doch im
Schatten der "Flieger". Ihre Erfolge wurden von der Öffentlichkeit
mit aufrichtigen Interesse verfolgt - mehr als von Seiten der
Fabrik. Den Anteil am Ruhm der Marke AERO erwarb die
Automobilfabrik mit bescheidener, prahlloser, täglicher Arbeit.
Die Leute aus der Automobilfabrik, mit ihren Technikern an der
Spitze, haben ihre kleinen Erfolge im wahrsten Sinn des Wortes
erkämpft. Es waren neue Konstruktionselemente, die gegen den
Widerstand der konservativen Produktion durchgesetzt werden
mussten oder neue Maschinen für die Werkstätten, die nur in
langen Zeitabständen geliefert wurden. Erfolge der Propagierung
oder Erfolge im Verkauf, alle diese Angelegenheiten formten ein
festes Band zur Unternehmung bei denen, die mit der
Automobilerzeugung aufwuchsen und alterten.
Dies
alles war unseren glücklicheren Kollegen, den “Fliegern“
unbekannt oder besser gesagt, ihre Erfolge wurden auf einem
anderen Weg erzielt. Sie verfolgten die Automobilproduktion nur
als privates Interesse um einen neuen Wagen. Die “Flieger“-Mitglieder
des Leitungsausschusses der Fabrik sind typische Repräsentanten
dieser Ansichten und so ist ihre Passivität in der Zeit, wo über
das Schicksal der Fabrik für Jahrzehnte entschieden
wurde, nicht überraschend. Es ist bekannt, dass die amtlichen Stellen auf Grund von Unterlagen, die von Leuten aus der
Automobilproduktion geliefert werden, planen und entscheiden. Da
uns nicht bekannt war, welche Unterlagen von unserer
Leitung dem Ministerium vorgelegt wurden, konnten wir annehmen,
dass unsere Leitung nicht über unsere zwei Prototype richtig
unterrichtet war. Es ist zwar unbegreiflich, aber nur das zusammen mit Misstrauen gegen die Prototypen, konnte eine solche
Stellungsnahme rechtfertigen.
Als
wir aber nach dem Grund der Stellungsnahme unseres
Leitungsausschusses forschten, entdeckten wir zwar zu spät,
aber doch den entscheidensten Moment. Die technischen
Unterlagen zu unseren Prototypen wurden von Seiten der Leitung
bei unserem Konstruktionsbüro gar nicht angefordert und das
Ministerium war folglich darüber gar nicht unterrichtet. Für
uns heißt das, dass die postrevolutionäre Leitung der Fabrik
auf die künftige Automobilerzeugung verzichtet. Das Programm
der Erzeugung von kleinen Lastwagen kam also offenbar nicht nur
von außen. Der Belegschaft der Fabrik ist nicht bekannt, wer
die Fabrikleitung zu einer solchen Stellungsnahme bevollmächtigt
hat, da die Person des Inhabers, JUDr. Kabes, an der Spitze des
Leitungsausschusses steht. Wir vermuten, dass er eine solche
Stellungnahme zur Automobilabteilung der Fabrik, die sich seit
der Gründung der Fabrik seines besonderes Interesse freute,
nicht zugelassen hätte. Die Annexion der Automobilfabrik
seitens der „Flieger“ wurde daher auf eine nicht den
heutigen demokratischen Verhältnissen entsprechende Art
durchgeführt. Die Belegschaft der Automobilfabrik und deren
Leiter wurden vor eine vollendete Tatsache gestellt. Der
bisherige Chef, JUC Kabes verlies, offenbar unter einer
Drohung, seinen Posten im Leitungsausschuss, ohne seine nächsten
Mitarbeiter zu unterrichten und auf Druck der Zeitung Rude Pravo
verzichtete er (und sein Vater) im Januar 1945 auf jegliche
Position in der Fabrik. Der Stab über die bisherige Linie der
Unternehmung wurde gebrochen und die Automobilfabrik steigt in
die Unternehmung in Friedenszeiten als eine kleine Abteilung mit
geringen Möglichkeiten einer eigenen Entwicklung mit allen den sich
daraus ergebenden Nachteilen.
Die
sechzehnjährige Produktions- und Konstruktionstradition, die
Tradition der Marke AERO und die Bemühung der Techniker während
der letzten sechs Jahren neue Prototype von Personenwagen für
die Nachkriegszeit auszuarbeiten, das alles wurde von konkreten
Personen leichtfertig über Bord geworfen, ohne Rücksicht auf
materielle Verluste der Fabrik. Vergessen wurde, dass das Wegwerfen
der Früchte der schöpferischen Arbeit der Mitarbeiter
automatisch auch eine Verzicht auf die Marke AERO, einen Teil
der glorreichen Geschichte des tschechoslowakischen Motorismus
mit sich bringt.
Ausführlicher
ist die Nachkriegsgeschichte im Abschluss der Monographie von
Karel Jicinsky beschrieben. Der Autor des Artikels betrachtete
die Erzeugung vom 1,5 Tonnen-Lastwagen als einen Vorwand zum
Anschluss der Automobilfabrik Aero zur Fabrik Praga. Im Jahre
1966 traf er an den Friesbauden im Erzgebirge Herrn Bejsovec,
Leiter der Ausbildung von Lehrlingen in der Fabrik Aero, wo sie
sich auf diese Hypothese einigten.
Die Veruntreuung des Friedensprogramms der
Personenwagenproduktion hatte sich aber auch für die Anstifter
nicht ausgezahlt – die Flugzeugdivision Aero wurde auch aufgelöst.
Die Konstrukteure, die, ähnlich wie der Autor des Artikels, von
der aufgelösten Fabrik Aero in die Fabrik Praga hinüberwechselten,
konnten bis Februar 1948 hoffen, sich an der Ausarbeitung des
Models eines Personenwagen zu beteiligen, den der
Chefkonstrukteur der Fabrik Praga nach dem Krieg plante.
Handschrift
umgeschrieben und mit Anmerkungen versehen im Februar 2008
Vorbereitet
von Karel Jicinsky
Für
die Veröffentlichung durch die Aero-IG International aus
Aerovkar 5/2008 entnommen und gestaltet von Michael Strauch im März
2009
Dieser Artikel wurde auch im Aerovkar 4/2015 wieder
veröffentlicht.
Beitrag 2 von Herrn Josef
Knourek
Geehrte
Aerofreunde,
im
Artikel über den Lebensgang des Herrn Doktor Kabes fesselte
mich die Erwähnung seines Abgangs aus der Fabrik Aero schon am
Anfang des Jahres 1946. Und ich grübelte warum? War die im
Artikel erwähnte politische Situation wirklich so schrecklich?
Am 24. Oktober 1945 unterschrieb Präsident Beneš
die
Nationalisierung der Banken, Bergwerke und der schweren
Industrie. Das an sich sollte nicht den Abgang der Eigentümer
aus den Unternehmungen bedeuten, besonders derjenigen, die das
betreffende Unternehmen leiteten.
Zufälligerweise
bekam ich nach Übergabe des Aerovkar zum Druck die Zeitschrift
Aero-NOVINY zum Kopieren. Die erschienen zuerst im August 1945
als Ersatz für den Aerovkar, aber mit der Bezeichnung, "Zeitschrift
der Angestellten der Fabrik AERO“. Interessant ist, dass in
der Nachkriegszeit das Ministerium für Information die
Herausgabe der periodischen Zeitschriften beschränkte und nur
Tageszeitungen genehmigte - die Aero-NOVINY haben dabei die
Genehmigung erhalten. Ich blätterte in der Zeitschrift um
konkrete Angaben über den Grund des Abgangs des Vaters und Sohn
Kabes aus der Fabrik zu finden - und musste mich mehr und mehr
wundem. Mit dem Lesen der Aero-NOVINY verbrachte ich fast die
ganze Nacht. Es kam mir vor, als lese ich Rude Pravo (Bemerkung
Tageszeitung der Kommunistischen Partei) aus den Fünfzigerjahren
oder Vor-Februar-Drucksachen (Bemerkung
gemeint Druck vor
Februar 1948). Die Seiten enthalten Berichte aus Sitzungen
des Betriebsgewerkschaftsrates, Russisch-Lernen, und ähnliches,
aber sind hauptsächlich mit Hass gegen Leute, die imstande
sind, etwas positives zu schaffen, gefüllt. Als Beispiel möchte
ich die Erklärung des Koordinationsausschusses der Firma Aero
aus der Novembernummer 1945 anführen (Brief 1). In der leider nicht
kompletten Nummer (März 1946?) fand ich einen Brief des
Gewerkschaftsrates der Firma Aero (Brief 4) und eines gewissen Frantisek
Trachta an Dr. Kabes Jr. (Brief 3). Nebenbei muss ich betonen, dass die
Unterschriften unter den Artikeln von uns völlig unbekannten
Leuten stammen. Den Brief ,“Gesandt zum Abschied“ des Dr. Kabes Jr.,
auf den reagiert wird, haben wir als Brief 2 abgedruckt.
Nur
ungern würde ich den Eindruck erwecken den Aerovkar
politisieren zu wollen, aber auch dies gehört zur Geschichte
der Fabrik AERO, das bisher vernachlässigt wurde. Diese
Schriftstücke erlauben die Zeit und die Nachkriegsentwicklung
in der Fabrik zu begreifen. Heute veröffentliche ich die zwei
erwähnten Briefe und hoffe die bisher vermissten Materiale zu
vervollständigen.
Josef
Knourek
Für die
Veröffentlichung durch die Aero Interessengemeinschaft
International aus Aerovkar 4/2009 entnommen und
gestaltet von Michael Strauch im Dezember 2009
Brief
1
(November 1945)
Arbeiter
der Fabrik Aero!
Mit
der Unterschrift des Präsidenten Beneš
des Dekretes der
Nationalisierung erlebten wir endlich die Verwirklichung des
Gedankens, der zum ersten Mal in der USSR stattgefunden hat und
wir sind stolz, dass wir den zweiten Staat vorstellen, der es
gleichfalls durchführt.
Mit
der Nationalisierung verschwindet die Kapitalistenklasse, die im
Wohlstand zum Nachteil ihrer Angestellten lebte.
Nie
wieder werden wir für ein Paar dieser Einzelnen arbeiten,
sondern für die Leute unseres Volkes. Es ist unsere moralische
Pflicht gut zu arbeiten um der ganzen Welt zu zeigen, dass wir
imstande sind selber unsere Industrie zu leiten.
Wir
danken der Regierung und dem Herrn Präsidenten für die
Verwirklichung dieser schönen Tat und versprechen ihnen, dass
wir uns mit fleißiger Arbeit am Zustandekommen dieses Programms
bemühen werden um sich die Nationalisierung zu verdienen.
Der
Koordinationsausschuss der Fabrik Aero
Anmerkung:
Wie
schon im heutigen Leitartikel angeführt, ist die
Nachkriegsentwicklung in der Fabrik Aero nicht uninteressant.
Mit dem nahenden 65. Jahrestag der Beendung des 2. Weltkrieges
werden wir die damalige Atmosphäre mit Artikeln aus den
AERO-Noviny vorführen. Aus den Artikeln ist ein schneller
Verfall der Automobilproduktion schon vor dem „siegreichen
Februar“ ersichtlich. Die Ursache war die sogenannte Diktatur
des Proletariats (in Wirklichkeit Pöbeldiktatur) und die
absolute Orientierung des Staates auf Stalins Sowjetunion.
Um
den Vor- und Nachkriegs-"Aerodruck“ vergleichen zu können,
werden wir immer eine Seite des Aerovkar interessanten Artikeln
aus diesen Zeitschriften widmen.
Josef
Knourek (2009)
Brief
2
(Februar 1946)
Brief des Herrn JUDr Kabeš
Jr.
„Gesandt zum
Abschied“
Gesandt
zum Abschied
Denkt nicht, Freunde, dass meine schönen Erinnerungen auf die
zehnjährige Zusammenarbeit mit euch mit den Umständen meines
Abgangs geschwächt werden. Die wurden weder von mir
noch von euch verursacht und wir sind uns bewusst, dass hier höhere
Gesichtspunkte im Spiel waren, die nicht mit den Banden der
gegenseitigen Vertrauens und Freundschaft, die ich hoch gewertet
habe, beeinflusst werden konnten.
Die Zeit meiner Tätigkeit in der Firma Aero fiel leider in die
kritische Periode der Industrie und der ganzen Nation, um dessen
Überleben im Raum, bezeichnet als „Konzentrationslager
Protektorat“, mit Ehre gekämpft wurde. Ich betone, dass es
sich um ein ehrenvolles Überleben handelte und ich bin der
Meinung, dass es uns im Aero gelungen ist, diese Aufgabe zu erfüllen.
Nicht viel Zeit blieb übrig für den organisierten Aufbau und
industrielle Planung, da es sich um Einhaltung der selbstständigen
Existenz der Unternehmung, um maximale Beschränkung der
Waffenerzeugung und um Einhaltung womöglich verträglicher
Arbeitsbedingungen der Angestellten handelte. Sie wissen, dass
die Fabrik Aero zum Traum der total eingesetzten Leute wurde,
die sich vor Umschulungsmethoden der Unternehmungen Junkers,
Letov und anderen, von Deutschen beherrschten Fabriken fürchteten.
Unsere deutschen Aufseher vermissten bei uns nicht nur Porträte
des Führers und des verstorbenen Staatspräsidenten, aber vor
allem den Geist der Sklavenschaft, mit dem sie raffiniert Körper
und Geist ihrer eigenen Unternehmungen vergewaltigten. Auch
wunderten sie sich über die guten und freundschaftlichen
Beziehungen zwischen den Angestellten und der Leitung.
Meine ganze Tätigkeit in der Fabrik Aero war darauf abgezielt.
Es war meine Satisfaktion, dass ich auf diesem Wege nicht
scheiterte.
Mein Abgang zur weiteren Tätigkeit ist mit wertvollen
Erfahrungen der schweren Jahre gewappnet. Ich danke ihnen für
ihre Unterstützung und Sympathie und wünsche ihnen eine
Einhaltung der selbstständigen Existenz und des Rufes der
Fabrik Aero, als einer Fabrik mit gerechten Beziehungen zu ihren
Angestellten, die guten Willen und verantwortliche Beziehung zur
Arbeit ausweisen. Mit der Handvoll der anderen rechnen sie zum
eigenen Gunsten ab, und zwar schneller und rücksichtsloser als
wir.
Am 22. Februar 1946 Dr. Vladimír Kabeš Jr.
(Aero NOVINY, Jahrgang II, Nr 4, März 1946)
Brief 3 (Veröffentlichung
März 1946)
Antwort
auf den Brief von Herrn Dr. Vladimir Kabes Jr. "Gesandt zum
Abschied"
“Gesandt
zum Abschied“
mit dem sich in der vorigen Nummer der AERO-Noviny Dr. Kabes Jr.
von uns verabschiedet, erweckte in der Fabrik verdientes
Interesse. Besonders sein gut gemeinter Rat, dass wir uns mit
der kleinen Handvoll “der Anderen“ zu unseren Gunsten
abrechnen sollen.
Herr
Doktor, seien sie sicher, dass wir es machen werden. Nur ist uns
unklar, wen sie damit meinen. Die Säuberung haben wir längst
durchgeführt. Es bleiben nur diejenigen, denen die
Nationalisierung nicht gefällt und die lieber die Fabrik unter
dem alten Regime sehen möchten. Wir können sie versichern,
dass sie nicht lange Zeit mit uns bleiben werden.
Sie
raten uns bei der Abrechnung mit der Handvoll schneller und
schonungsloser zu verfahren, als sie es getan haben. Wir sind
aber der Meinung, dass wir das Tempo und Ausmaß ihrer Rücksichtslosigkeit
einhalten werden, die sie in der Vorkriegszeit vorführten, wenn
es sich um ihr materielles und anderes Interesse handelte.
Ja,
wir werden gegen jeden, der sich es verdient, auftreten. Aber
direkt. Also anders, als damals. Wo diese Arbeit für sie ihre
Ergebenen, mit denen sie sich umgeben haben, ausrichteten.
Auch
wir verabschieden uns von ihnen. Und werden uns lange Zeit ihrer
erinnern, besonders dann diejenigen, die auf eigene Haut das
Schikanieren, Aussetzen und andere Errungenschaften des
damaligen Kapitalismus erlebt haben.
Frantisek
Tranta
Brief
4 (Veröffentlichung
März 1946)
Antwort
auf den Brief von Herrn Dr. Vladimir Kabes Jr. "Gesandt zum
Abschied"
Den
Brief “Gesandt zum Abschied“ in der vorigen Nummer der AERO-Noviny möchte
der Betriebsrat der Fabrik Aero wie folgt beantworten:
Ihre
Behauptung, dass ihr Wirken in der Fabrik auf Erzielung eines
guten Verhältnisses zwischen der Betriebsleitung und den
Angestellten abgezielt war, kann vor der Kritik, uns,
Aero-Arbeiter nicht standhalten. Sie begünstigten nur wenige,
die wussten, wie auf verschiedene Weise ihr Wohlgefallen zu
gewinnen. Ihre freundliche Haltung zur ganzen Besatzung äußert
sich erst seit der Umsturztage und ist zu auffällig, sodass sie
verschiedene Vermutungen erlaubt.
Wie
wir mit denen abrichten werden, die geblieben sind und erhöhte
Aufmerksamkeit brauchen, werden wir selber entscheiden.
Nichtsdestoweniger danken wir ihnen herzlich für ihre
Hinweisung.
Für
ihr zukünftiges Leben wünschen wir ihnen viel Erfolg.
Der
Gewerkschaftsrat Aero
Beitrag 3
von Herrn Josef
Knourek
Für die
Veröffentlichung durch die Aero Interessengemeinschaft
International aus Aerovkar 5/2009 entnommen und gestaltet
von Michael Strauch im April 2010
Um
die Nachkriegszeit zu begreifen, muss man in die Geschichte zurückkehren.
Für die tschechischen Länder, aber auch für weitere europäische
Völker war als Vorzeichen schon die Konferenz von Jalta
(Februar 1945), wo die zukünftigen siegreichen Mächte,
vertreten mit W. S. Churchill, F. D. Roosevelt und J. V.
Stalin, ihre ersten Schritte zur Nachkriegsaufteilung von
Europa unternahmen. Interessant ist, dass in den sechs Punkten
des Abkommens darüber keine Rede ist. Aus Notizen folgt aber,
dass die Tschechoslowakei als ein konfliktloses Territorium
betrachtet wird. Die Potsdamer Konferenz (17.7. – 2.8.1945)
teilte dann Deutschland unter die 4 Großmächte. In Stille aber
wurde ganz Europa geteilt. Es muss aber gesagt werden, dass von
den ursprünglichen Teilnehmern in Jalta nur Stalin übriggeblieben
ist. W. S. Churchill wurde nach den Wahlen in der 2. Hälfte der
Potsdamer Konferenz durch C. R. Attlee ersetzt und Amerika wurde
von H. S. Truman vertreten. Das beeinflusste Stalins Pläne. Man
sagt, dass Churchill noch Stalin überredete, in den
befreiten Ländern frei Wahlen zuzulassen. Für Amerika war aber
das Schicksal der ČSR nicht allzu interessant und es ist möglich,
dass Amerika nicht eine derartig hart Beherrschung der befreiten
(in Wirklichkeit eroberten) Staaten voraussah.
Im
Juli 1945 begann der Rückzug der Roten Armee aus der ČSR
und bis zum 15. November war der Rückzug aller fremden Armeen
beendet. Im Lande blieb aber eine Menge von sog. sowjetischen
Beratern und der Einfluss der Kommunisten war schon damals beträchtlich.
Es
ist möglich, dass unseren westlichen Nachbarn (nicht nur
Deutschen) vorkommen kann, dass Tschechen als Slaven dem
russischen Lebensstil nahe stehen. Das ist aber ein großer
Irrtum – der ist uns fremd. Aus der historischen Hinsicht
waren wir – in besseren oder schlimmeren Zeiten – immer mit
dem Westen verbunden. Oft blutverwandt.
Meiner
Meinung nach sind in der Geschichte Ursachen eines Ereignisses
oft interessanter, als das Ereignis selber – das gilt für
Weltkriege, gleichfalls für Ereignisse der Vergangenheit wie
der Gegenwart.
Nach
dem Krieg konnte man die Aversion der Tschechen gegenüber den
Deutschen begreifen – heute sehen wir, wie unsinnig der Krieg
war und wie viele anständigen Deutschen darunter litten. Die
sowjetischen Berater zusammen mit Kommunisten (die sich übrigens
einer großen Unterstützung der Bevölkerung freuten)
systematisch Hass nicht nur gegen die Besiegten fachten, aber
auch gegen die eigene Elite. Und dazu wurde (schon gleich
nach dem Krieg) betont, wie der Westen „seine“ deutsche Zone
zur Gehässigkeit anstiftet, aber taktvoll wurde verschwiegen,
wozu die sog. Ostzone dienen soll.
Das
tschechische „Proletariat“ sah leider in Stalin etwas als
einen „Bruder“, ähnlich wie die Deutschen in Hitler einen
Heiland. Als beide Nationen erwachten, war es schon zu spät.
Aus der Geschichte ist uns bekannt, dass überall, wo ein
Diktator zur Macht gekommen ist, hatte er, wenigstens im Beginn,
an seiner Seite Pöbel und dessen ist immer genug. Damit kam ich
zur Erklärung einer unbegreiflichen Tatsache, wie es kommt,
dass in einem anständigen und demokratischen Staate
(Volke) beim Antritt der Diktatur so viele Denunzianten und Kollaboranten auftauchen.
Die
Nationalisierung nach den Beneš Dekreten im Jahre 1945 betraf
Unternehmungen mit mehr als 500 Angestellten. Betroffen waren
2868 Betriebe. In diesen Unternehmungen formten sich
Organisationen der Kommunistischen Partei und
Revolutions-Gewerkschaftsräte. Anders war es bei kleinen
Unternehmungen. Die wurden erst nach Februar 1948 verstaatlicht
und bis daher war hier die Situation günstiger. Es wäre aber
irrtümlich vorauszusetzen, dass all diese Veränderungen
unmittelbar nach dem kommunistischen Umsturz durchgelaufen sind.
Der Prozess dauerte bis in die Hälfe der Fünfzigerjahre und
die Übernahme der Unternehmungen fing zuerst mit den großen
an. Als letzte kamen Gewerbsleute an die Reihe, die allein
arbeiteten. Im Unterschied zu den Nachbarstaaten, die unter dem
Einfluss der USSR standen, war die Tschechoslowakei
wahrscheinlich die einzige, wo private Unternehmen völlig
ausgerottet wurden.
Zur
Frage der deutschen Kollegen betreffs der Firma von Josef
Sodomka führe ich an, dass die Firma Carrosserie Sodomka Vysoké
Mýto nicht die Kriterien der Nationalisierung erfüllte (hatte
weniger als 500 Angestellte). Nationalisiert wurde sie
daher erst am 28. Juni 1948 auf Grund der K. Nr. 1420/1948. Auch
nach Nationalisierung behielt J. Sodomka den Direktorsposten, da
er sich einer großen Unterstützung der Angestellten (angeblich
auch der dortigen Kommunisten) freute. In den Fünfzigerjahren
war es aber für die Kommunistische Partei undenkbar, dass ein
ehemaliger Besitzer diese Funktion bekleiden könnte und so
musste man irgendeine staatsfeindliche Aktivität inszenieren
und ihn dafür verurteilen. So ist es übrigens Tausenden von
talentierten Leuten ergangen.
Nach
dem Krieg hatte Dr. Kabeš sen. ein großes Interesse an der
schnellen Instandsetzung der beschädigten Fabrik und
Wiederaufnahme der Produktion, ohne Rücksicht auf die
voraussichtliche Nationalisierung. Das bezeugt auch sein Beitrag
in 1. Nummer der Aero-NOVINY (Aero-Zeitung) (August 1945):
Vladimír Kabeš:
Der Geist des 5. Mai (1945)
Der 5. Mai formte mit seiner revolutionären Entladung ganz
eindeutig die jahrelang verheimlichten und unterdrückten Gefühle
des tschechischen Volkes. Die Folge davon ist eine Aufklärung
der Atmosphäre, Liquidierung der Trübe, die sich unter jeder
polizeilichen Regierung anhäuft und eine Ausbreitung von neuen
sozialen und ökonomischen Perspektiven. Es ist meistens eine
erhebende Zeit mit einer hinreisenden Dynamik und wir sind glücklich
sie erleben zu können mit dem Gesicht ausgesetzt deren säubernden
Hauch.
Als
direkte Teilnehmer des Aufbaues und der fortscheitenden
Konsolidierung der tschechoslowakischen Industrie übertragen
wir in das engere Segment unserer Fabrik alles, was sich
gleichzeitig auf dem großen Schauplatz der staatlichen Politik
abspielt und suchen in unserer täglichen Arbeit alle Elemente,
die diese frische und aussichtsreiche Atmosphäre ausbilden. Und
in diese Atmosphäre wollen wir die sichere Existenz unseres
wiederauf- erstehendes Staates und unsere eigene Zukunft
eingliedern.
Nach
durchgeführter Beseitigung politisch kompromittierter und
sozial unerwünschten Elemente, nach dem Aufbau von festen
rechtlichen Grundlagen der weiteren staatlichen und ökonomischen
Entwicklung und nach Entstehung des aus freiem Willen des
befreiten Volkes geformten Parlamentes, wird das tägliche Leben
in seinen normalen Lauf zurückkehren. Die revolutionäre Zeit
wird in der Organisation der Regierung und des Gerichtsapparates
tiefe, dauernde und anregende Spuren hinterlassen und wird die
Einhaltung der von unserem Volke erwobenen und heute auch ausgeübten
Rechte absichern. Wir wären aber in der Zukunft nicht dem
riesigen und heute noch nicht gänzlich begriffenen Umsturz
gerecht, wenn wir in unser privates und innerlichste Leben nicht
das übertragen würden, was wir äußerlich bei allen
Gelegenheiten manifestieren: nämlich eine vollkommene geistige
Wiedergeburt.
Wenn
ich diesen Artikel unseren Bedingungen anmessen soll, kommen mir
als praktische Folgen dieser geistigen Wiedergeburt diese
zu sein:
1. Legen wir Misstrauen und Verdächtigung, die uns
jahrelang – und berechtigt – quälten, zur Seite und
bedenken die Festigkeit der Lage, die wir alle heute erzielten:
Furcht vor nationaler und politischer Verfolgung sind
verschwunden. Verschwunden sind auch Tribune des Volkes, die ihn
bewusst betrogen und äußerlich „unveräußerliche
Forderungen“ stellten, die sie im Privat für eine Zigarre
umzutauschen bereit waren. Es scheint, dass von unserem öffentlichen
Leben das Zauber der heimlichen Abkommen und verdächtigen
Kompromisse verschwindet. Die entscheidenden Organe stehen unter
direkter und öffentlicher Kontrolle. Jeder Einzelne hat das
Recht seine gerechte Sache vorzutragen und sie vor dem Forum
seiner Kameraden zu verteidigen. Jedes Mitglied des
Gewerkschaftsrates, jedes Mitglied des Verwaltungsausschusses
ist für sein Tun mit seiner Funktion verantwortlich. Wer noch
heute die Atmosphäre mit anonymen Anfeindungen und Klatsch
vergiftet, hat keinen Anspruch auf den Ehrentitel Revolutionär
sondern nur auf die schmachvolle Bezeichnung Zerrüttler.
Wir
sind gewohnt abseits zu kritisieren – das haben uns die sechs
schweren Jahre gelernt. Lernen wir heute eine andere,
demokratische Form der Handlung: bei jeder öffentlichen
Gelegenheit sollten wir offen und mannhaft mit allem, was uns
nicht gefällt, auftreten und das Recht der freien Äußerung
nutzen! Die wiedererworbene Freiheit des einzelnen Menschen, die
Freiheit der Meinung und Äußerung bietet uns riesige Möglichkeiten.
Wir sollten sie im ehrlichen Spiel gegen alles und allem, dessen
Tun wir die Möglichkeit und Verpflichtung zu verfolgen haben,
ausnützen. Wir müssen aufhören sich vor Kritik zu fürchten,
hauptsächlich aber vor der Verantwortung für Kritik und müssen
verantwortliche Kritik überall dort ausüben, wo sich dazu die
Gelegenheit bietet. Daraus ergibt sich ein vielseitiger Nutzen:
Auf der einen Seite eine Garantie der verlässlichen Führung
unter dauernder und wirksamer Kontrolle der Öffentlichkeit, und
auf der anderen Seite ein freudiges Gefühl der konstruktiven
Teilnahme am Aufbau. Die offene Kritik ist ja Salz der
Demokratie, die sie stärkt – dunkles Murren verfolgt nur
dunkle Ziele.
2. Befreien wir uns von der
Vorstellung, dass wir auf andere schuften, dass unsere Arbeit
fremden Wohlstand fördert. Das sozial zu fühlen lehrte uns der
kapitalistische Liberalismus,
national-politisch die deutsche Bedrückung. Diese – damals
berechtigte Meinung – ist heute und desto mehr morgen, nichts als Vorurteil der Verspäteten im Denken oder eine
Ausrede der Arbeit sich ausweichenden. Es darf keine
Unternehmung geben, deren Gewinn sich nicht zum Nutzen derjenigen äußern wird, die ihn mit
eigenen Händen schafften. „Würdig ist der Arbeiter seines
Lohnes“ und dasselbe gilt für seinen Kollegen in der Verwaltung, seinen Vorgesetzten, wenn sie ihre
Arbeit gut ausführen und wenn sie der Unternehmung im Masse
ihrer Belohnung beitragen. Der Nutzen der Unternehmung ist sein Gewinn, aber der
Endzweck des Gewinns muss seine direkte oder indirekte Zurückgabe
denjenigen sein, die sich um ihn verdienten. Unsere Regierung wird –
davon sind wir überzeugt – dafür sorgen, arbeitsloses
Einkommen abzuschnüren und die Wirtschaft in den sozialistischen Aufbau einzugliedern.
Heutzutage ist es keine Phrase mehr, dass die Leute in den
Unternehmungen für sich arbeiten, auch wenn sie die Früchte
ihrer Arbeit bisher nur als Inhalt ihrer Lohnsäckchen erkennen.
Wer nicht arbeitet, oder der Arbeit ausweicht, beschädigt nur
das Staatsinteresse und dadurch auch das eigene, nicht das
Interesse jemand anderes. Er kämpft nicht gegen Ausbeutung,
sondern sabotiert, so wie er auch
unter den Deutschen nicht sabotierte, sondern sich auf Kosten
anderer vor der Arbeit drückte.
Unter
uns, denen, die heute mit heißem Herzen an dem Neuaufbau
unserer durch die Okkupation und den Krieg so schwer beschädigter
Industrie arbeiten, ist es klar. Wir wollen arbeiten, werden
arbeiten und verlangen nichts, als gerechte Kontrolle unserer
Arbeit, aufrichtiges Vertrauen unserer Kameraden und freudige
Zusammenarbeit uns aller ohne Unterschied.
Beitrag 4 aus Sicht von
Vladimir Kabes jun.
hier als Auszug aus der Broschüre “Die
Aero Familie – Eine Erinnerung an 80 turbulente Jahre”
(zusammengestellt von Willfest Brücker):
V.
,,Die Demokratie des Volkes“ danach
Durch
das Jalta Abkommen war die Tschechoslowakei unter russischem
Einfluss. Einen Tag nach der deutschen Kapitulation im Mai 1945
“befreite“ die sowjetische Armee Prag und die Exilregierung
kehrte aus London zurück. Die Kommunisten waren bereits vor dem
Krieg im tschechischen Parlament gegenwärtig und bekamen
Schlüsselämter
in der neuen Nachkriegsregierung.
Mit
dem russischen Bären hinter ihnen, wurde der Einfluss dieser
Minister fast augenblicklich spürbar. Ein Dekret kam heraus,
wonach alle Banken, Versicherungen, Bergwerke und Unternehmen
mit mehr als 500 Mitarbeitern, einschließlich der Automobil- und
Flugzeugindustrie, verstaatlicht wurden. Ironischerweise am Tag
der tschechischen Unabhängigkeit, dem 28.10.1945. Die
kommunistische Zeitung Rude
Pravo und das staatlich kontrollierte Radio dominierten die
Medien. Einige Monate später erschien ein Artikel, in dem mein
Vater angegriffen wurde; man behauptete zu wissen, warum dieser
Kapitalist Kopf des Unternehmens geblieben war, das nun “dem
Volk gehörte“. Mein Vater hatte die ganze Unterstützung
seiner Arbeiter, dennoch räumte er an diesem Tag seinen
Schreibtisch und verließ sein Büro, um nie wieder zurückzukehren.
Er starb im nächsten Jahr, im März 1947;
er wurde gerade über 60 Jahre alt.
In
der “schönen neuen Welt“ der sozialistisch-kommunistischen
Tschechoslowakei war kein Platz für eine Autofabrik wie Aero.
Die Regierung führte einen Rationalisierungsplan durch, wonach
noch drei Automobilklassen hergestellt werden sollten, basierend
auf Maschinen Typen von
unter 1.000 ccm, 1.000 ccm und 2.000 ccm. Diese wurde jeweils
von Jawa, Skoda und Tatra hergestellt. Da der Name Aero nun im
Besitz des Landes war, wurden die ersten Nachkriegs Autos von
Jawa “Aero Minor“ genannt. Aber das waren nicht die Pony und
Rekord Autos, die Aero während des Krieges entwickelte - wir
hatten mit ihrer Entwicklung nichts zu tun. Später wurden sie -
korrekt - unter dem Namen Jawa Minor bekannt.
Aber
all dies passierte nachdem ich Aero 1946 verließ und eine neue
Karriere an zwei Fronten startete, indem ich als Presse Sekretär
im Tschechoslowakischen Parlament arbeitete und anschließend
Lockheed Flugzeuge bei seinen Bemühungen für den Verkauf von
Constellations an die tschechoslowakische Luftlinien vertrat.
Im
Februar 1948 erlangten die Kommunisten totale Kontrolle über
das Land und ich, immer noch ein ziemlich junger Mann von 30,
realisierte, dass ich dort keine Zukunft für meine Familie und
mich hatte. Mein kapitalistischer Hintergrund, liberaler
politischer Glauben und US-orientierte Geschäftsinteressen
waren schwarze Flecken im Buch der Kommunisten. Da legale
Auswanderung nicht erlaubt war, ging ich, indem ich durch die Wälder
und über die Grenze der amerikanischen Zone nach Deutschland
marschierte. Meine Frau und meine zwei kleinen Töchter kamen
ein paar Monate später. Im November 1950 erreichten wir die
Vereinigten Staaten. Meine neue Karriere in den Bereichen
Menschenrechte und internationaler Entwicklungsdienst
verschafften mir die sprichwörtliche ,,zweite Chance“.
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Ergänzung
der Aero-IG-Redaktion:
Am
16. November 1945 fuhr Herr Kabes jun. noch mit dem Pony bei einer
offiziellen Veranstaltung - wie der Text unten darlegt. Herr
Kabes jun. promovierte noch im November 1945. Unter politischem
Druck kündigte Herr Kabes jun. am 25. Februar 1946 bei der
Firma Aero, kurz nach dem auch sein Vater aus ähnlichen
Gründen die Firma verlassen hat.
Zwischen diesen beiden Zeitpunkten liegen die dramatischen
Ereignisse, die in den vier obigen Briefen zum Ausdruck kommen.
Der folgende Text ist aus dem Aerovkar 4/2009 entnommen:
Zitatanfang
Unerforschlich sind die Wege des lieben Aero-Herrgotts. Viele Bekannte meiner Frau-Genealogin wissen,
dass ich etwas mit den Aeros zu tun habe und so sandte mir Herr
Karel Bazant (Genealoge aus Prag-Brevnov, woher ich und Filomene
stammen) einen interessanten Beitrag in unser Archiv. Es handelt
sich um eine Seite aus dem Stationsbuch des Polizeibezirks 2
Prag IV - Hradcany vom 16. November 1945. Die Seite ist schlecht
lesbar und ich wiedergebe sie in lesbarer Form:
“Ankunft des Wagen Aero mit dem
Sendungsschreiben dem Herrn Präsidenten der Republik:
Im Rahmen des Weltkongresses der
Studenten in Prag am 16. November 1945 Zielfahrt quer durch die
Republik mit dem Sendungsschreiben dem Präsidenten der Republik
Edvard
Beneš.
Zweck dieser Fahrt ist die Durchfahrt aller Städte
mit einer Hochschule oder Hochschulen-Fakultät. Vom
akademischen Kollegium wurde den Fahrern eine schriftliche Äußerung
der Achtung übergeben, die dann auf der Burg bei dem Besuch der
Ordner des Kongresses dem Präsidenten präsentiert wurde.
Die Fahrt unternahm mit dem neuen Wagen
der tschechischen Produktion “Aero 750
P“ JUC Vladimir Kabes. Ankunft auf der Burg am III.
Hofraum um 16.00 Uhr. Um 16.10 Uhr Empfang vom Präsidenten der
Republik. Teilnahme der Öffentlichkeit ca. 500 Personen.
Um 17.10 Uhr Abgang der Delegation des
Verbands der cs. Studenten
Ordnungsdienst abgeleistet vom Kapitän Hartman und 5
Mann der Freizeit."
Bemerkung:
Herrn Jan Hanus hat man irgendwie vergessen.
Er war der Fahrer des Aero-Wagens Ponny.
Abbildung:
Plakat zur Begrüßung der Besatzung und des Aeros in der Fabrik
mit der Aufschrift: Wir begrüßen die siegreichen Fahrer und
unseren Wagen ”Ponny“
mit der Botschaft des Studentenkongresses dem Herrn Präsidenten.
Zitatende
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Hinweise
von Josef Knourek:
Im
Aerovkář 4/2009, Seite 8, berichtet Karel Jičínský
über die Zielfahrt. Der Aero 750 P wurde wirklich von Vladimír
Kabeš jun. gefahren - siehe seinen Titel JUC (Er war noch nicht
Doktor der Rechte mit dem Titel JUDr). In diesem Zusammenhang möchte
ich bemerken, dass die Promovierung von Vladimír Kabeš im
Herbst 1945 nichts ungewöhnliches darstellt. Man kann sagen,
dass in dieser Zeit die Tschechoslowakei ein demokratischer
Staat war - zum kommunistischen Umsturz im Februar 1948 fehlten
noch zwei Jahre. Die Kommunisten nutzten aber eine relativ
starke Unterstützung der Bevölkerung und besetzten nach und
nach verschiedene Posten. Dazu dienten ihnen auch auf Grund Beneš
Dekreten nationalisierte Unternehmungen.
Kleinere
Unternehmungen (unter 500 Angestellte) wurden im Jahre 1945
nicht nationalisiert. Das geschah erst nach Februar 1948 (darüber
berichte ich näher im Aerovkář 5/2009). Auch in diesen
Unternehmungen blieben in manchen Fällen die Eigentümer als
Direktoren. Die größte Jagd auf diese Leute kam erst Ende 1949
und hauptsächlich in der 1. Hälfte der Fünfzigerjahre.
Es
ist begreiflich, dass sich jede Diktatur ein Hinterland
ausbildet, im Beginn mit Einschaltung von Spitzeln und
Denunzianten, Erzeugung eines Milieu von Furcht (auch in eigenen
Reihen) und am Ende mit Liquidierung von (oft vermutlichen)
Gegnern. Der Prozess dauert immer eine bestimmte Zeit, wie aus
allen Unterlagen über betroffene Staaten ersichtlich. So war es
auch in der Tschechoslowakei.
Josef
Kňourek
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